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Thüringer Einfarbige – Die Wiedererweckung der Weißeuligen?

Farben der Thüringer Einfarbigen in alte Quellen und den ersten Musterbeschreibungen

Thüringer Einfarbige werden auf die Tauben und Farbenschläge zurückgeführt, über die Ludwig Storch 1856 in einem Bericht über Ruhl und die Rühler im Thüringer Wald in der ‚Gartenlaube‘ schreibt. Grundstöpflich, Weiß- und Gelbgrundstöpflich weisen auf die heutigen blau-, hell- und gelbgrundfarbigen Täuber hin, Lerchenstöpflich und Silberfarbig auf die heutigen Weibchenfarben Gelercht und Silber.  Schimmel waren offenbar in vielen Varianten vertreten. Eulig, weißeulig, schwarzeulig, silber-, lach- und grunzeulig werden unter den beliebtesten Farben aufgezählt. In der ersten in der Bundesrepublik 1951 herausgegebenen MB wird schon erkannt, dass die heutigen Blaugrundfarbigen, Hell- und Gelbgrundfarbigen nur als Täuber vorkommen. Blau, Blaugehämmert, Silber, Gelercht und Eulig sind daneben in beiden Geschlechtern anerkannt. Die Genetik der Kennfarbigkeit war noch nicht verinnerlicht. In dem im Deutschen Bauernverlag in der damaligen DDR herausgegebenen Buch von Juhre/Kockel ‚Die Rasse- und Sporttaubenzucht‘ von 1952 werden die Einfarbigen als Rasse nicht genannt.

Farbenschläge in der aktuellen Musterbeschreibung

Im Ringbuchordner, der ab 1970 die ersten Musterbeschreibungen ablöst, werden Blau-, Hell- und Gelbgrundfarbige ausdrücklich als Farben der Täuber genannt. Silber, Gelercht, Blau, Blaugehämmert und Schimmel werden geschlechtsneutral daneben aufgeführt und sind damit alle auch für Täuber zugelassen. Im darauffolgenden Ringbuchordner und der MB von 2004 ändert sich das. Zugelassen sind die geschlechtsgebundenen Täuberfarben und damit korrespondierende Weibchenfarben. Blau, Blaugehämmert für die Blaugrundfarbigen, Silber und Gelercht für die Hell- und Gelbgrundfarbigen. Aus der Paarung eines Blaugrundfarbigen mit einer blaugehämmerten Täubin werden einige Söhne mit mehr Wolkung im Schild als Indikator für die gehämmerte Zeichnung fallen. Sie werden ‚graugrundfarbig‘ genannt, sind im Standard aber nicht genannt. Ab dieser MB gibt es eindeutige Farben für Täuber und andere für Weibchen. Andreas Leiß hatte die genetischen Zusammenhänge der Farbenschläge zusammen mit Züchtern Thüringer Einfarbiger herausgearbeitet.

Es gibt aber eine Ausnahme. Für Eulige wurde die Trennung in Täuber- und Täubinnenfarbe nicht umgesetzt. Diese sollen in beiden Geschlechtern, von rassespezifischen Feinheiten abgesehen, den Blauschimmeln mit Binden bei anderen Rassen entsprechen. In der Zucht werden Weibchen gelegentlich auch in der gehämmerten Zeichnung auftreten. Das dann, wenn ein Graugrundfarbiger mit einer Euligen verpaart wird. Warum der Bruch in der Systematik der Farbenschläge mit der identischen Färbung bei Täubern und Tauben bei den Schimmeln? Wohl darum, weil man die reinerbigen Frosty-Täuber mit dem Schimmelfaktor nicht als männliches Gegenstück zu den reinen (hemizygoten) Frosty-Weibchen mit dem Schimmelfaktor erkannt hat. Das wurde erst bei der Erzüchtung der euligen glattfüßigen Thüringer und die exakten Zuchtaufzeichnungen möglich.

Abb. 1: Farbenschläge der Thüringer Einfarbigen in der aktuellen Musterbeschreibung unter Einschluss der eulig gehämmerten Weibchen (Oschmann, Finsterbergen)

Unerwartete Interaktionen des Schimmelfaktors und des Frosty-Faktors der Thüringer Einfarbigen

Der Verfasser hatte es nach den Informationen über die Rasse für möglich gehalten, dass der Schimmelfaktor bei reinerbigen Frosty-Täubern unterdrückt wird oder eine unattraktive Färbung bringt. Wie uns später Frank Zetzsche bei der Wiedererzüchtung glattfüßiger euliger Thüringer Einfarbiger gezeigt und in der Geflügel-Zeitung dokumentiert hat, ist eher das Gegenteil der Fall. Reinerbigkeit der Täuber für Frosty (genetisch frosty//frosty) verstärkt den Schimmelfaktor so stark, dass die Täuber schon bei Mischerbigkeit für den Schimmelfaktor (Schimmel//Wild-Typ) wie reinerbige Blauschimmel bei vielen Rassen aussehen. Wenn man die Liste der beliebtesten Farbenschläge von Storch 1856 durchsieht, dann könnten es die damaligen ‚Weißeuligen‘ gewesen sein.

Bei den Euligen der Thüringer sind Blaue bzw. Blaugrundfarbene geeignete Partner in der Zucht. Schimmel in der Farbreihe der Thüringer Einfarbigen sind daher kein ‚Fremdkörper‘. Die Täuber sehen nur anders aus, als die Verfasser der Musterbeschreibungen sie sich vorgestellt hatten. Das könnte durch Aufnahme dieser Täuber in die MB geheilt werden. Die jetzigen Ausstellungstäuber sind ein Bruch mit dem Verständnis der Einfarbigen als kennfarbige Rasse. Bei Kreuzungen mit anderen Farbenschlägen wird man daraus u.a. auch blaue und gehämmerte Täuber erhalten, die den Faktor nicht oder nur in Mischerbigkeit besitzen, und auch Weibchen ohne den Frosty-Faktor. Die Reinerbigkeit des Stammes für die Kennfarbigkeit ist dahin.

Abb. 2: Ausgewählte Farbenschläge der Thüringer Einfarbigen nach genetischen Gesichtspunkten (Fotos und Zucht Frank Zetzsche)

Zur Systematik:

·        Wenn man blaue Täuber hat, die zusätzlich den Erbfaktor Frosty reinerbig haben, dann sind sie heller als die Weibchen: Blaugrundfarbig

·        Wenn man silber (blaufahle) Täuber hat, die zusätzlich den Erbfaktor Frosty reinerbig haben, dann sind sie heller als die Weibchen: Hellgrundfarbig

·        Wenn man gelerchte Täuber hat, die zusätzlich den Erbfaktor Frosty reinerbig haben, dann sind sie heller als die Weibchen: Gelbgrundfarbig.

Wenn man diese Reihe systematisch fortsetzt:

·        Wenn man blauschimmel Täuber hat, die zusätzlich den Erbfaktor Frosty haben, dann sind sie heller als die Weibchen: Weißeulig, könnte man nach den Berichten von Ludwig Storch über die Lieblingsfarben 1856 in Ruhla und Umgebung annehmen.

Die Zucht von Schimmeln und Euligen

Dass Schimmel und in den meisten Rassen nicht miteinander, sondern mit Blaubindigen verpaart werden, weil sonst reinerbige Schimmel fallen, die für die Ausstellung zu hell sind, kann man in den allgemeinen Büchern zur Taubengenetik nachlesen. Auch über die vielen Varianten von Schimmeln und die Unterschiede, die in einigen Rassen zwischen Schimmeln und Euligen gemacht werden. Potentielle Partner für die Paarung mit Schimmeln sind Blaugrundfarbige und Blaue mit dem Frosty-Faktor. Zuchterfahrungen werden den besten Weg zum Erfolg zeigen.

Abb. 3: Jungtiere aus der Verpaarung von Schimmel mit Blaugrundfarbig bzw. hemizygoten Blauen aus der Thüringer-Zucht (Frank Zetzsche)

Anekdotisches und vielleicht auch Exemplarisches für den Umgang mit genetisch komplexeren Fragestellungen

Wie schwer sich Zuchtausschüsse, Preisrichter und Preisrichtervereinigungen mit genetischen Gesetzmäßigkeiten tun, kann an einer Anekdote verdeutlicht werden. So wurde nach Gerhard Rößling im Vorspann des Katalogs zur Thüringen Landesverbandsschau 2021 in den 1960er Jahren eine Preisrichterversammlung in Erfurt durchgeführt, bei der die ‚Einfarbigen‘ im Mittelpunkt standen. Paul Schallenberg aus Kittelsthal als großer Förderer der Rasse hatte Tiere mitgebracht und wurde tief enttäuscht. Der Schulungsleiter Hornuf Soland/Sree stellte die Forderung, dass man Täuber und Täubinnen in der gleichen Farbe bringen solle, bevor man wieder vorspreche. Damit die Forderung der Abschaffung des wesentlichen Merkmals der Rasse, des Geschlechtsdimorphismus, zur Förderung der Rasse! Verantwortliche in der Organisation und in vielen Gremien fehlt bei züchterischen Fragen oft die Kompetenz und auch die Notwendigkeit und das Bedürfnis, sich mit anderen Meinungen und Neuem auseinanderzusetzen. Auch das vielleicht exemplarisch.

Literatur:

Leiß, Andreas, Genetische Analyse der Kennfarbigkeit der Thüringer Einfarbigen, Deutscher Kleintier-Züchter, Ausgabe Geflügel Nr. 18/2000, S. 24ff.

Sell, Axel, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015, S. 144-152.

Sell, Axel, Verständnis und Missverständnisse in der Taubenzucht, Teil I – III, Achim 2020.

Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.

Zetzsche, Frank, Erzüchtung der glattfüßigen und glattköpfigen Schimmel bei Thüringer Einfarbigen, GeflügelZeitung 18/2019, S. 18-19.