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Kurze Schnäbel bei Tauben   /    Short beaks in the domestic pigeon

Tauben mit kurzen Schnäbeln werden früh in der Literatur erwähnt. Wie auch heute, standen bei Gessner 1557 die schon damals zahlreichen Farben am Anfang der Darstellung von Haustauben. Erwähnt aber auch schon Federstrukturen und Tauben mit kurzen Schnäbeln, die unlängst aufgetaucht seien.

 

 

 

Gesner, Conrad, Vogelbuch, Zürich M.D.L.VII (1557)

In heutiger Schreibweise: ‚Nicht unlängst ist eine neue Art zu uns gebracht von Augsburg, ganz klein, wie der Fink geschnäbelt‘. Zeichnungen kurzschnäbliger Tauben wurden kurz nach 1600 für die Sammlung von Markus zum Lamm gemacht. Vom Typ her Tümmler- oder Hochflugtauben.

Die Vererbung des kurzen Schnabels hatten die Norweger Christie und Wriedt (1923) untersucht mit dem Schluss eines intermediären Erbganges, Erbsymbol ku. Aus den veröffentlichten Zuchtaufzeichnungen vermutete W.F. Hollander geschlechtsgebundene Zusammenhänge, die in der Folge bestätigt wurden. Aus der Paarung kurzschnäbliger Täuber und langschnäbliger Täubinnen war die Nachzucht insgesamt intermediär, die Täubinnen aber signifikant kürzer im Schnabel. Spätere eigene Analysen zeigten, dass intermediäre Nachzucht auch aus der umgekehrten Paarung eines langschnäbligen Täubers mit einer kurzschnäbligen Täubin fällt. Der geschlechtsgebundene Erbgang wird danach durch weitere nicht geschlechtsgebundene Faktoren überlagert. Weitere Beobachtung zu genetischen Koppelungen bei Kreuzungen von Langschnäblern sowohl mit Hochfliegern als auch mit Mövchen zeigten darüber hinaus, dass die Anlage für den kurzen Schnabel nicht zu weit von dem ebenfalls auf dem Geschlechtschromosom befindlichen ‚Farblokus‘ entfernt ist.

Auch jüngste molekulargenetischen Ergebnisse durch die Forschergruppe Boer et al. (2021) stützen die Vorstellung, dass die Schnabellänge ein polygenes Merkmal ist, das weitgehend durch einen geschlechtsgebundenen Faktor kontrolliert wird (S. 6). Versuche hat die Forschergruppe selbst mit Mövchen durchgeführt, darüber hinaus aber auch den gleichen Faktor bei 31 untersuchten Rassen mit kurzen Schnäbeln festgestellt. Die Verkürzung muss daher schon früh aufgetreten sein und sich über die Rassen verbreitet haben.

Aufgezeigt werden in der Studie auch potentielle Wirkungs­ketten des Gens und die Verankerung im Genom. In der übersetzten Formulierung der Au­toren: „Innerhalb des Ku2-Lokus identifizierten wir eine Aminosäuresubstitution im nicht-kanonischen Wnt-Rezeptor ROR2 als mutmaßlichen Regulator der Schna­bellänge bei Tau­ben.“ Verwiesen wird darauf, dass der nicht-kanonische Wnt-Signalweg eine ent­scheidende Rolle bei der Migration von Neuralleistenzel­len und der Morphoge­nese des Gesichtsschädels bei Wirbeltieren spiele (S. 3), so dass die gefundenen Ergebnisse auch wichtig für einen Abgleich mit anderen Tierarten sein könnten.

 

Rückpaarung eines Täubers der F1 an gelbes Mövchen (links); Jungweibchen mit schwarzer Grundfarbe aus diesem Paar: Schwarz ohne Koppelungsbruch, rechts verdünnt schwarz mit Koppelungsbruch.

 

Boer, Elena F. et al., AROR2 coding variant is associated with craniofacial varia­tion in domestic pigeons 2021DOI:

Gesner, Conrad, Vogelbuch, Zürich M.D.L.VII (1557)

Sell, A., Pigeon Genetics, Achim 2012

Sell, A., Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, Achim 2019

Sell, A., Critical Issues in Pigeon Breeding, Part VI, Achim 2021

 

 

Short beaks in the domestic pigeon

Pigeons with short beaks are mentioned early in literature. As today, at Gessner 1557 the already then numerous colors were at the beginning of the representation of domestic pigeons. But also mentioned already feather structures and pigeons with short beaks, which had appeared recently.

In today's spelling: 'Not long ago a new species is brought to us from Augsburg, very small, beaked like the finch'. Drawings of short-beaked pigeons were made shortly after 1600 for the collection of Marcus zum Lamm (1544-1606). From the type tumblers or high-flying pigeons.

The inheritance of the short beak had been investigated by the Norwegians Christie and Wriedt (1923) with the conclusion of an intermediate inheritance, hereditary symbol ku. From the published breeding records, W.F. Hollander suspected sex-linked relationships, which were subsequently confirmed by fanciers. From the mating of short-beaked cocks and beaked-hens, the offspring was intermediate overall, but the hens were significantly shorter in beak. Later own analyses showed that intermediate offspring also fall from the reverse mating of a long-beaked cock with a short-beaked hen. The sex-linked inheritance is subsequently overlaid by other non-sex-linked factors. Further observation on genetic linkages in crosses of long-beaked breeds with both highflyers and owl pigeons further showed that the gene for the short beak is not too far from the 'color locus', both located on the sex chromosome (Sell, 2012, 2019).

Recent molecular genetic results by the research group Boer et al. (2021) also supported the idea that beak length is a polygenic trait that is largely controlled by a sex-linked factor (p. 6). Experiments were conducted by the research group themselves with owl pigeons, but in addition, they also found the same factor in 31 breeds with short beaks that were studied. The shortening must therefore have occurred early in domestication and spread through the breeds.

The objective of the study goes beyond this to show chains of effects and anchor­ing in the genome: "Within the Ku2 locus, we identified an amino acid substitution in the non-canon­ical Wnt receptor ROR2 as a putative regulator of pigeon beak length. The non-canonicl Wnt pathway serves critical roles in vertebrate neural crest cell migration and craniofacial morphogenesis” (p. 3). Thus, the results found could also be important for comparison with other animal species.

 

Mating of an F1 cock with yellow owl (left); Young females with a black base color from this pair. One a black without crossing over. On the right dilute black with crossing over. Source ‘Sell, Taubenzucht’ 2019, Critical Issues V 2021.

Boer, Elena. F.  et al., AROR2 coding variant is associated with craniofacial varia­tion in domestic pigeons 2021DOI

Gesner, Conrad, Vogelbuch, Zürich M.D.L.VII (1557)

Sell, A., Pigeon Genetics, Achim 2012

Sell, A., Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, Achim 2019

Sell, A., Critical Issues in Pigeon Breeding, Part V, VI, Achim 2021