Tauben
auf der Europaschau in Leipzig vom 8.12. bis 10.12.2006 (Teil 2)
Tümmler auf der
Europaschau
Bei den Memeler Hochfliegern macht trotz des
Alters der Rasse und der Tradition der meisten Farbenschläge die Zuordnung
immer noch Probleme. So war die gesamte Gruppe der als „rotbunt“
gemeldeten Tieren einschließlich des mit hv96 ET ausgezeichneten Täubers
gemasert in der roten Variante. Rotbunte gibt es bei den Memeler
Hochfliegern auch, die sehen aber anders aus. Auch bei den Dänischen
Tümmlern standen wie schon auf der VDT-Schau in Nürnberg Perlblaue
(Dänisch Perlede) als Blaufahle. Für Perlblau vielleicht etwas zu dunkle
Tiere sind nicht automatisch Blaufahle, denn für diese sind sie wiederum
deutlich zu hell im Hals. Unter die gelben Dänischen Tümmler hatten sich
auch einige goldene gemischt. Von den seltenen Dänischen Stippern
waren Dank niederländischer Unterstützung wenigsten die Graustipper
vertreten. 188 Deutsche Langschnäblige Tümmler zeigten ihre
Beliebtheit.
Memeler Hochflieger Hellmaser (rote Variante) (41893)
Deutsche Langschnäblige Tümmler Bärtchen gelbfahl (42272), Bärtchentümmler
rotfahl (früher rotstreifig) aus den 20er Jahren
Besonders schnittig erscheinen immer die Bärtchen,
die diesmal vor allem im gelbfahlen Farbenschlag zahlreich
vertreten waren. Sowohl im Hinblick auf die Färbung als auch auf die
Farbenschlagbezeichnung scheint es allerdings unterschiedliche Meinungen
zu geben, wobei beide Fragen zusammen betrachtet werden sollten. Der
Wunsch, optisch und/oder genetisch gleiche Farbenschläge bei den
verschiedenen Rassen gleich zu benennen, verträgt sich oft nicht mit dem
Wunsch, historische Benennungen zu erhalten. Im Standard werden bei den
Tümmlern zur Zeit
ganz allgemein für alle Rassen die Gelbfahlen mit Schimmelfaktor „Gelbstreifer“
genannt (Berliner, Schöneberger Streifige), alles andere wird unter
„Gelbfahl mit Binden“ zusammengefasst, wobei in den Standards der
einzelnen Rassen zum Teil eigene Beschreibungen erfolgen. Daraus folgt
eine große Spannbreite in der Erscheinung der Gelbfahlen (wie auch der
Rotfahlen). Historisch hatte man bei den Rot- und Gelbfahlen in einigen
Rassen früher noch eine weitere Gruppe unterschieden, die man z.B. bei den
Hamburger Sticken „Gelbbänder bzw. „Rotbänder“ nannte. Diese sind bei den
Hamburgern mit den „Lichtblauen“ verwandt und dürften genetisch zusätzlich
den Eisfaktor oder zumindest einen wirkungsgleichen Faktor besitzen. Die
Bildung einer solchen Gruppe im Standard könnte die Spannbreite bei den
Fahlen etwas einschränken.
Ein Zurück zu alten Benennungen bei den einzelnen
Rassen hat seine Tücken. So wurden normale Gelb- und Rotfahle wohl
landschafts- und danach rassegebunden auch Gelbbänder genannt. Auch Tiere,
die nicht den Schimmelfaktor besaßen und im Flügelschild und Hals normal
gelbfahl gefärbt waren, wurden bei einigen Rassen „Streifer“ genannt. Dem
Erscheinungsbild nach Rotstreifer wurden bei den Stettiner Tümmlern auch
Braunbänder genannt. Normale Gelbfahle wurden bei einigen Rassen auch
schon „isabell“ genannt. Die zum Anfang des letzten Jahrhunderts gezeigten
Bärtchentümmler besaßen den Abbildungen und den Beschreibungen zufolge
ebenfalls nicht den Schimmelfaktor. Sie sahen aber auch anders aus als die
in Leipzig vorgestellten Tiere und ähnelten den heutigen Dänischen Gelb-
und Rotfahlen mit kräftig durchgefärbtem Hals und heller absetzender
Kopffärbung. Das Bild eines solchen Rotstreifers aus dem von Wittig in den
20er Jahren herausgegebenem Mustertaubenbuch mag die Phantasie anregen,
wie die Gelbstreifer früher ausgesehen haben, ein Dänischer Tümmler
rotfahl ist in dem Schaubericht über die Junggeflügelschau Hannover zu
finden. Es gibt auch andere
Zuchtrichtungen als in Leipzig gezeigt, was eine Entscheidung sowohl über
die Zuchtrichtung als auch über die Benennung des Farbenschlages nicht
erleichtert. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich der genetische Code
bei einigen Farbenschlägen und in einigen Zuchten offenbar in wenigen
Jahrzehnten drastisch ändern kann. Das passiert durch Einkreuzungen
anderer Rassen in bestehende Zuchten, das ist bei anderen Rassen aber auch
das Ergebnis einer Wiedererzüchtung verschwundener Farbenschläge.
Verantwortlich dafür ist bei seltenen Rassen oft ein einzelner Züchter,
der über seine Erfolgsrezepte meist noch nicht einmal spricht. Im Käfig
steht dann auch nicht mehr der alte Farbenschlag, selbst wenn man
nostalgisch am alten Namen hängt. So haben auch die in Leipzig gezeigten
Bärtchen im Vergleich zu den Tieren zum Beginn des vorigen Jahrhunderts
und in den 20er Jahren nicht nur die Benennung gewechselt, auch die Tauben
selbst haben sich verändert und entsprechen zum Teil eher der
Zuchtrichtung der beschriebenen Gelbbänder.
Die Berliner Langlatschigen hatten mit 88
Tieren ebenfalls einen großen Auftritt. Angesichts der raschen Veränderung
in der Färbung einzelner Rassen und Farbenschläge ist es vielleicht Wert
festgehalten zu werden, worin sich im Jahr 2006 die Elstern in dunkelblau,
perlfarbig (verdünnte Dunkelblaubunte = Blaufahle und damit mit
aufgehellten Schnäbeln) und hellblaubunt voneinander unterscheiden.
Berliner Langlatschige dunkelblaubunt-geelstert (42416),
perlfarbig-geelstert 42419) und hellblaubunt-geelstert (42406)
Bei den Danziger Hochfliegern fiel eine
verdünntfarbene Dunkelmasertäubin (42617) ins Auge. Die Pommerschen
Schaukappen hatten in dem weißen V97 LB Täuber von Thorsten Gläsing
das absolute Spitzentier, aber auch bei den Schwarzen mit hv 96 E ein
herausragendes Tier. Orientalische Roller waren in großer Zahl
erschienen, darunter unter anderen Vielfarbige und als Komplementärfarbe
etliche Kites. Diese im Gegensatz zu den Kites bei den Dänischen Tümmlern,
die auch den Smoky-Faktor tragen, mit hellen Schnäbeln. Gezeigt wurden
auch wieder DeRoys in einem Zwischenton zwischen Rot und Gelb und ohne
weiße Flecken. Bei den Rot- und Gelbsprenkeln war man sich einig, dass es
sich bei diesen (überwiegend) nicht um Träger des Almondgens handelt,
sondern dass die sprenkelähnliche Erscheinung auf andere Faktoren
zurückzuführen ist, was dem Augenschein nach auch für andere Rot- und
Gelbsprenkel wie die der Debreciner Rollern zutrifft. Der bei den
Debreciner Rollern ausgestellte und als solcher anstandslos bewertete
Braunfahle war ein Blaufahler mit Bronze in den Binden (44470).
Expertengespräch: Andreas Boisits und Dr. Gehrels und
Flügelstudie eines "Rotsprenkels"
Debreciner Roller „rotsprenkel“ (44463) Debreciner Roller
Blaufahl mit bronze Binden (44470) (als braunfahl gemeldet und bewertet)
Viele ausländische Rassen in kleinen Kollektionen
wurden gezeigt, bei den Katalanischen Tümmlern neben den bisher
anerkannten auch Nonnen, die andeuteten, was noch an weiteren
Farbenschlägen bei dieser Rasse vorhanden ist. Etliche der zahlreich
gezeigten Polnischen Rassen sind bereits in Deutschland anerkannt, einige
im Vorstellungsverfahren, andere zumindest aus jüngeren Berichten – auch
im VDT-Journal – gut bekannt. Bei den Polnischen Szek-Tümmlern
schmetterlingsgezeichnet handelte es sich im Käfig um gestorchte Tauben,
stahlblau war bei dieser Rasse ein helleres Dirty-Blau. Auch kleine
Kollektion wie die Buga-Tümmler blau geganselt, die aus Ungarn
stammten, und die Escampadissa Tümmler aus Spanien machten auf sich
aufmerksam. Letztere als blau mit Binden gemeldet erschienen dunkel mit
starkem Bronzeüberzug wie Kites aus anderen Rassen. Karakand
Tümmler aus Nord-Syrien können als glattköpfige Verwandte der Danziger
durchgehen und zeigen, dass es auch exzellente Flugtauben aus der Region
mit breit getragenen Schwänzen gibt.
Buga-Tümmler blau geganselt (45991) Escampadissa Tümmler
dunkel bronze (46049) Karakand-Tümmler blau (46062)
Einige der gezeigten Rassen unterschieden sich wenig
voneinander und von anderen bekannten Rassen. Es handelte sich oft um
wenig voneinander abweichende lokale Schläge des gleichen Typs und
Vorformen anderer Rassen. Die Ungarischen Elstern entsprachen den
Vorfahren der modernen Elstertümmler und sind z.B. ähnlich und wohl etwas
idealisiert in alter Literatur als Kieler Elstern abgebildet. Die
kurzschnäbligen polnischen Elstern entsprachen weitgehend den
Märkischen, wenn vielleicht auch etwas höher stehend. Polnische Adler
(Orlik) stammen ursprünglich aus Südrussland und werden dort und in der
Ukraine noch weitere Verwandte neben den ebenfalls in rot und gelb
gezeigten Wilnaer Adlern besitzen. Benannt sind sie nach dem
Flugstil, der dem eines kreisenden Greifvogels ähnelt.
Ungarische Elster schwarz (46002)
Kieler Elster (aus: Lavalle und Lietze 1905)
Polnischer Adler (Orlik) rot (45837)
Last not least 46 Limerick-Tümmler, wobei dem
Verfasser Limericks als Versform schon bekannt waren, nicht dagegen
Limerick-Tümmler. Das Versmaß dieser Fünfzeiler ist vielleicht etwas
gewöhnungsbedürftig, da der Reim der ersten beiden Zeilen in der fünften
Zeile wieder aufgenommen wird, etwa in der in der Versform und satirisch
noch verbesserungswürdigen Weise:
Man nannte den Tümmler Limerick,
das fanden viele Leute sehr chick,
An Almond und Neuem
sollst Du dich erfreuen,
auch wenn die innovation ist not big
Nicht so gewöhnungsbedürftig sind diese natürlichen
und vital ausschauenden Tümmler selbst. Äußerlich besteht für einen nicht
in die Geheimnisse der Zucht Eingeweihten kein sehr großer Unterschied zum
Flugtyp des West of England Tümmlers, der schon vor 1900 aus der Kreuzung
von Orientalischen Rollern und Niederländischen Hochfliegern entstand und
in ähnlicher Form, wie hier vorgestellt, noch in der Encyclopedia von Levi
1965 abgebildet ist. Nostalgisch kehrt man auch anderweitig nach der
Hochzüchtung einer Rasse zum Ursprung zurück, wodurch Altdeutsche und
jüngst Altorientalische Mövchen ihre Existenz verdanken. Im Vergleich zu
den Abbildungen des heutigen amerikanischen Schautyps und auch den Fotos
bei Levi, ist der Schnabel der Limericks wesentlich kürzer, vielleicht
erreicht durch Kreuzungen mit belatschten English Long Faced Tümmlern. Der
Schnabel wird etwas gesenkt getragen und auch die Latschen sind kürzer.
Insgesamt erscheinen die Tauben viel feiner und in der Halsführung
eleganter, nicht so bullig wie die amerikanischen Show-Wests. Das wird im
Ausstellungswesen wahrscheinlich auch nur eine Frage der Zeit sein, denn
gerade der mit hv 96 am höchsten Ausgezeichnete, ein mit roten Spritzern
versehener Vielfarbiger, ging typmäßig in die „bullige“ Richtung und ließ
die Grazie der anderen vermissen. Almond, bzw. als Farbenschlag vielfarbig
genannt, war eine der gezeigten Varianten. Qualmonds schienen dabei zu
sein und ein Tier sah wie ein spalterbig kennfarbiger Täuber aus. Die
Gruppe bildete einen gelungenen Abschluss der Schau und man sollte sie so
in Erinnerung behalten.
Limerick-Tümmler vielfarbig (46065)
vielfarbig (46066) hv96 ESB
qualmond (46080)
kennfarbig (46081)
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